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deutsch artikel (Interpretation und charakterisierung)

Die gleichheit der beiden hauptfiguren


1. Drama
2. Liebe

Die beiden Rivalen Peachum und Mackie scheinen auf den ersten Blick zwei absolut gegensätzliche Figuren zu sein. Peachum wird als ehrlicher und anständiger Geschäftsmann geschildert, der den armen Bettlern zu helfen versucht und mit seiner Familie ein bürgerliches Leben führt. Mackie dagegen wird schon im Vorspiel als brutaler Räuber und Mörder dargestellt, und sein Umgang mit seinen Angestellten an der Hochzeit macht ihn auch nicht sympathischer. Doch sehr bald wird diese Gegensätzlichkeit in Zweifel gestellt, da Mackie, der mit seinen weissen Glacéhandschuhen nur in den besten Lokalen verkehrt, als galanter Verehrer Pollys ein anderes Ansehen erhält. Auf Seite 38 werden die erhaltenen Bilder ganz über den Haufen geworfen.

Peachum : (prüft bei einem andern Bettler eine Prothese): Leder ist schlecht, Celia, Gummi ist ekelhafter. (Zum dritten): Die Beule geht auch schon zurück, und dabei ist es deine letzte. Jetzt können wir wieder von vorn anfangen. (Den vierten untersuchend): Naturgrind ist natürlich nie das, was Kunstgrind ist. (Zum fünften): Ja, wie schaust Du denn aus? Du hast wieder gefressen, da muss jetzt ein Exempel statuiert werden.
Bettler: Herr Peachum, ich habe wirklich nichts Besonderes gegessen, mein Speck ist bei mir unnatürlich, dafür kann ich nicht.
Peachum: Ich auch nicht. Du bist entlassen. (Nochmals zum zweiten Bettler): Zwischen "erschüttern" und "auf die Nerven fallen" ist natürlich ein Unterschied, mein Lieber. Ja, ich brauche Künstler. Nur Künstler erschüttern heute noch das Herz. Wenn ihr richtig arbeiten würdet, müsste euer Publikum in die Hände klatschen! Dir fällt ja nichts ein! So kann ich Dein Engagement natürlich nicht verlängern. (Die Bettler ab.)
Polly: Bitte, schau ihn dir an, ist er etwa schön? Nein. Aber er hat sein Auskommen. Er bietet mir eine Existenz! Er ist ein ausgezeichneter Einbrecher, dabei ein weitschauender und erfahrener Strassenräuber. Ich weiss genau, ich könnte dir die Zahl nennen, wieviel seine Ersparnisse heute schon betragen. Einige glückliche Unternehmungen, und wir können uns auf ein kleines Landhaus zurückziehen, ebenso gut wie Herr Shakespeare, den unser Vater so schätzt.
Peachum: Also, das ist alles ganz einfach. Du bist verheiratet. Was macht man, wenn man verheiratet ist? Nur nicht denken. Na, man lässt sich scheiden, nicht wahr, ist das so schwer herauszubringen?

...
Polly: Aber ich liebe ihn doch, wie kann ich da an Scheidung denken? ... Meine Liebe lass ich mir nicht rauben.
Frau Peachum: Der Kerl, der hat ja überhaupt mehrere Weiber. Wenn der mal gehängt wird, meldet sich womöglich ein halbes Dutzend Weibsbilder als Witwen und jede womöglich noch mit einem Balg auf dem Arm. Ach, Jonathan!
Peachum: Gehängt, wie kommst du auf gehängt, das ist eine gute Idee. Geh mal raus Polly. (Polly ab.) Richtig. Das gibt vierzig Pfund.

In diesem Textauszug sehen wir, dass Peachum im Umgang mit den Bettlern, seinen Angestellten, wie auch mit seiner Tochter kein bisschen besser ist als Mackie. Beide behandeln die Leute um sich wie Untertanen. Die Diebe wie auch die Bettler sind für sie nicht eigentlich Menschen, sondern nur Mittel um das Geschäft zu betreiben und damit zu Geld zu kommen. Das einzige Ziel ist ,das Geschäft zum Blühen zu bringen, was nicht direkt dem Geschäftszweck dient, muss ausgemerzt werden. Ein Arbeiter, der seine Leistung nicht erbringt, hat keinen Platz mehr, er wird entlassen. Seine Existenz ist dem "Bettlerfreund" egal, obwohl die gesicherte Existenz genau das ist, was sein Geschäft den Bettlern anbietet. Das Gleiche gilt für Mackie, der als "Räuberhauptmann" nicht mehr der kühne Draufgänger ist, dem die anderen folgen, sondern als Chef die Befehle gibt, die Ehre auf sich ziehen will (vor den Räubern ist er der Held jeder erfolgreich abgeschlossenen Aktion), vor dem Gesetz aber für nichts verantwortlich gemacht werden kann.
In diesem Passus wird auch fraglich, ob Peachums Geschäft wirklich ehrlicher ist als das Mackies. Als Künstler müssen die Bettler dem Volk auf den Gassen falsche Tatsachen vorspielen, wie Hunger vortäuschen oder schlechte Prothesen und falsche Beulen zur Schau stellen. Peachum wird quasi zum Zuhälter der Bettler, die ihre Haut zu Markte tragen. Die Bettler werden damit zu Prostituierten, die Prostituierten sind es, die Mackie später zum Verhängnis werden und ihn hinter Gitter bringen. Das Einbrechen dagegen wird von Polly als ehrliches Handwerk geschildert. Mackie kann Polly die Existenz bieten, die Peachum den Bettlern verspricht, aber nicht in jedem Fall gewähren kann. Dies hebt den brutalen Mackie auf die Stufe Peachums empor.
Indem Brecht den Räuber und den ehrlichen Geschäftsmann auf die gleiche Stufe stellt, prangert er das Bild der Gesellschaft von Ehrlichkeit und Gerechtigkeit schwer an. Auch lässt er immer wieder Sätze wie "Verfolgt das Unrecht nicht zu sehr, in Bälde erfriert es schon von selbst, denn es ist kalt." (S. 98) oder "Unsere Richter sind ganz und gar unbestechlich: mit keiner Geldsumme können sie dazu bestochen werden, Recht zu sprechen!" (S. 75) in den Text einfliessen, die zeigen, dass er eine andere Vorstellung dieser beiden Begriffe hat als die Gesellschaft seiner Zeit.
Angetönt wird in der Textstelle auch die Falschheit Mackies. Wird er zuerst als ehrenwerter Mitbürger geschildert, so ist gleich darauf von seinen Weibereien die Rede. Mackie versteht es, sich zu verstellen und mit freundlichen Worten bei den Leuten anzukommen. Schwört er Polly beim Abschied die Treue, ist es möglich, dass er direkt ins Bordell geht. Trotzdem wird er von vielen Frauen geliebt, und jede hat das Gefühl, die einzige zu sein, auch wenn sie genau weiss, dass es noch andere gibt. Als Räuber tritt er stets vornehm in Erscheinung und legt Wert auf eine gepflegte Umgebung, was man eigentlich nicht erwarten würde. Dieser bürgerliche Ausdruck dient wohl dazu, ihn als Räuber auch in die Gesellschaft zu integrieren. Brecht will damit zeigen, dass die Gesellschaft, in der er lebt, weder lupenrein noch fehlerfrei ist, und jeden Bürger einschliesst.
Interessant ist, dass sich die beiden Rivalen durch die ganze Geschichte bekämpfen und doch nur im Vorspiel und im Schlussfinale aufeinander treffen. Trotzdem kennen sie sich sehr gut und fühlen sich beide dem anderen unterlegen. Dies wird in der Szene deutlich, in der sich Jenny von Peachum zwar bestechen lässt und ihm hilft, ihm aber deutlich sagt, dass er Mackie das Wasser nicht reichen kann (S. 73). Mackie seinerseits unterliegt immer wieder seinen Lüsten, obwohl er genau weiss, dass ihn Peachum im Bordell erwischt. Er gibt seine Niederlage in der "Ballade, in der Macheath jedermann Abbitte leistet" auch offen zu. Am Ende wird aber nicht klar, wer nun als Sieger aus dem Duell hervor geht, da Mackie eigentlich zum Galgen geführt wird, aus unerklärten Gründen aber amnestiert wird.

 
 

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